Acht jugendliche Besucher der Offenen Tür des Josefshaus am Kirberichshofer Weg im Aachener Ostviertel erklärten sich im Sommer 2011 spontan bereit, das Netzwerk bei seiner ersten großen Kampagne „Im Blick“ mit einer spektakulären Aktion zu unterstützen. Den Jugendlichen ist sehr daran gelegen, das Thema Zivilcourage in der Öffentlichkeit zu präsentieren, haben doch viele von ihnen selbst schon Situationen erlebt, in denen Hilfe nötig gewesen wäre.

Die Jugendlichen sind: Ferhat Sentürk, Alisan Demir, Tobias Tillmann, Bruno Isse, Jenny Parkwah, André Hauten, Kathrin Erdweg, Domenik Willems.

Unter der Regie von Frau Jutta Steinbusch (Theaterpädagogin und ehrenamtliche Mitarbeiterin des Deutschen Kinderschutzbundes) und mit Unterstützung von Herrn Richard Okon (Leiter der OT Josefshaus) wurde gemeinsam mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 17 bis 26 Jahren diskutiert, welche Situationen sie in ihrer Lebenswelt schon erfahren haben. Wo haben sie erfahren, dass Kinder und Jugendliche bedrängt, belästigt oder bedroht werden.

Heraus gekommen ist eine nachgestellte reale Bedrohungssituation, die von den Jugendlichen eindrucksvoll „in Szene gesetzt“ und zweimal in der Öffentlichkeit aufgeführt wurde.

Am 22. November 2011 in Aachen – Burtscheid konfrontierten die jungen Schauspieler Passanten, für die nicht ersichtlich war, dass es sich um eine nachgestellte Situation handelt. Es war die spannende Frage, ob die Umstehenden hinschauen, in irgendeiner Form verbal reagieren, evtl. sogar eingreifen oder aus Hilflosigkeit, Angst oder Desinteresse wegschauen.

In Kooperation und mit tatkräftiger Unterstützung des Kommissariats Vorbeugung in Aachen traf man sich am Nachmittag in der belebten Fußgängerzone, um in Position zu gehen. Ein Kamerateam der WDR-Lokalzeit war vor Ort (Beitrag wurde am 22.11.2011 um 19.30 Uhr gesendet) und musste zunächst einmal für die Passanten nicht sichtbar untergebracht werden.

Auf ein abgesprochenes Zeichen ging’s los: drei jugendliche „Täter“ näherten sich einem vierten jugendlichen „Opfer“ und gaben vor, dass es einem von ihnen noch Geld schuldete. Auf eine lautstarke Auseinandersetzung folgte ein tätlicher Angriff, der damit endete, dass das Opfer am Boden liegend weiter „geschlagen“ und „getreten“ wurde und laut um Hilfe rief. Die Szene wirkte selbst auf die eingeweihten Beteiligten überaus real und sehr bedrohlich.

Auf einen Trillerpfiff stoppte die Szene und die Jugendlichen verharrten in ihren jeweiligen Positionen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehrere Passanten im Begriff, entweder einzuschreiten oder über Handy den Notruf zu wählen. Sie wurden von den Verantwortlichen angesprochen, beruhigt und über die  Hintergründe der Aktion aufgeklärt. Hier einige Antworten von Bürgerinnen und Bürgern aus dem nachfolgenden Interview mit dem WDR:

Passant:

„Ich hatte das Gefühl, ich sollte eingreifen. Zur gleichen Zeit war mir auch mulmig, es zu tun, deshalb habe ich mich erst mal lautstark kundgetan und, ich glaube, „Hey“ gerufen, um auch zu sehen, wie sie reagieren und ob sie, wenn Leute gucken, davon ablassen. Aber gleichzeitig auch das Gefühl, was passiert danach, wie geht’s mir danach. Greifen die mich an oder wie auch immer, aber es hat gesiegt, einfach dazwischen zu gehen.“

Passantin mit Kind im Kinderwagen:

„Ja, es war schon sehr schockierend, muss ich sagen, ich habe auch ganz starkes Herzrasen bekommen, habe auch kurz überlegt, was ich machen kann in meiner Situation; habe dann nach meinem Handy gegriffen, wollte die Polizei rufen, weil ich mit dem Kleinen einfach nicht selbst eingreifen wollte. Das war mir zu riskant und zu heikel.“

Seniorin:

„Die wollten den Mann zu Tode prügeln. Ich wäre sofort dazwischen gegangen oder ich hätte den Umstehenden gesagt, nun ruft bitte die Polizei und guckt nicht zu. Das habe ich schon mal gemacht, letztes Jahr, da war ich nahe dran, eine zu kriegen. Aber ist mir egal, ich mache es immer wieder.“

Die Reaktionen der Passanten haben gezeigt, dass in der Öffentlichkeit bei einigen Leuten ein Bewusstsein dafür vorhanden ist, hinzuhören, hinzuschauen und in irgendeiner Form einzugreifen. Es ist aber ebenso nachvollziehbar, dass Andere nicht eingreifen, weil sie unsicher sind wie sie reagieren können, ohne sich selbst zu gefährden. Hierzu gab Herr Arz vom Kriminalkommissariat 44/ Vorbeugung der Polizei im Gespräch mit Passanten praktische Tipps und verteilte Infobroschüren der Aktion „Tu was“.

Im Anschluss an „den Dreh“ vom Lokalzeit-Team gab es noch viele weiter gehende Gespräche mit Passanten, die großes Interesse an den Hintergründen der Aktion bekundeten und lebhaft diskutierten, welche Möglichkeiten des Einschreitens sie gesehen haben.

Am 29.11.2011 wurde die Szene in der belebten Alsdorfer Innenstadt wiederholt. Auch hier gab es vielfältige Reaktionen von Passanten, die eingreifen oder die Polizei verständigen wollten.

Insgesamt war die Aktion ein voller Erfolg und es bleibt die berechtigte Hoffnung, dass viele Bürgerinnen und Bürger zukünftig getreu dem Motto „Im Blick – Zivilcourage stärken“ hinschauen und hinhören werden.