Berichterstattung zur Eröffnungsveranstaltung „Im Blick“ am 20. September 2010

Unter der Überschrift „Hinschauen, einschreiten und helfen“ berichtet Sebastian Dreher in der Aachener Zeitung am 21. September 2010:

Jugendämter in der Städteregion stellen Konzept zur Stärkung des Jugend- und Kinderschutzes vor. Kooperationspartner gesucht.

Aachen. Alle sieben Jugendämter in der Städteregion haben sich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, mit dem auf breiter Front für den Kinder- und Jugendschutz mobil gemacht werden soll. „Die Menschen müssen das Bewusstsein entwickeln, dass Kinder das Wichtigste sind, was wir haben“, sagt Paula Honkanen-Schoberth, Bundesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes, bei der gestrigen Gründungsveranstaltung im Haus der Städteregion in Aachen.

Kern des Netzwerkes sind die Zivilcourage-Aktion „Im Blick“ und die Kampagne für gewaltfreie Erziehung „Mein Kind ist unschlagbar“, die gemeinsam konzipiert wurden. In der Folge sollen in den kommenden zwei Jahren Maßnahmen ergriffen werden, um in den zehn regionsangehörigen Kommunen eine „Kultur des Hinsehens und -hörens“ zu etablieren. Die Gefahr von Missbrauch, Verwahrlosung, häuslicher, aber auch öffentlich ausgetragener Gewalt soll noch stärker als bislang schon im Ansatz erkannt und verhindert werden. Zudem sind Kinospots, Plakataktionen und regelmäßige Berichterstattungen geplant, damit diese Themen nicht aus den Augen der Öffentlichkeit verschwinden.

„Wir haben alle das Bild von Dominik Brunner vor Augen, der an den Folgen seines Eingreifens gestorben ist“, sagte Angelika Degen vom Jugendamt der Städteregion, das für die Kommunen Baesweiler, Monschau, Roetgen und Simmerath zuständig ist. Zwar sei dessen tragischer Tod „natürlich die Ausnahme“. Doch auch vor diesem Hintergrund liegt ein Schwerpunkt auf Fortbildungen und Schulungen, bei denen Mitglieder bestimmter Berufsgruppen wie Busfahrer trainieren sollen, wie sie angemessen in Konfliktsituationen reagieren können – ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Schließlich helfe in vielen Fällen das Hinschauen oder Eingreifen von Erwachsenen, hieß es gestern. „Die meisten Menschen wollen helfen, doch sie wissen oft nicht wie“, sagte Bernd Krott vom Jugendamt Herzogenrath.

Die Vernetzung aller Institutionen wie Jugendämter, Hebammen, Kinderärzte, Polizei und Bildungseinrichtungen ist die Voraussetzung der Aktion „Im Blick“. Die Gewaltprävention sollte schon im frühen Kindesalter ansetzen. So findet etwa der „Babybesuchsdienst“, den es bereits in allen Kommunen des Altkreises gibt, in den ersten Lebenswochen eines Neugeborenen statt. Auch wenn Kinder nicht turnusgemäß zu den Früherkennungsuntersuchungen der Kinderärzte erscheinen, müsste sich ein Gespräch mit den Eltern anbieten. „Langfristige Hilfe geschieht nur über die Eltern“, sagte Honkanen-Schoberth: „Überforderten Müttern und Vätern sollte so früh wie möglich Hilfe angeboten und der Kontakt zu anderen Betroffenen erleichtert werden.“

Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt. Doch damit es überhaupt losgehen kann, werden Kooperationspartner aus Industrie, Handel, Banken und Verbänden gesucht, die mit finanzieller und ideeller Unterstützung sowie ihrem Know-how zum Gelingen beitragen können.

Für die Aachener Nachrichten berichtete Jule Klieser am 22. September 2010 mit der Überschrift „Die Zivilcourage soll gestärkt werden“:

Die Städteregion hat ein Netzwerk zur Stärkung und Förderung des Kinder- und Jugendschutzes gegründet. Laufzeit: zwei Jahre, Kosten: 50 000 Euro. Prävention wird großgeschrieben. Hohe Dunkelziffer von Kindern in Not.

Aachen. Ein Netzwerk zur Stärkung und Förderung des Kinder- und Jugendschutzes ist von der Städteregion gegründet worden. Die sieben Jugendämter hatten bereits ein gemeinsames Konzept zur Kinder- und Jugendarbeit erstellt. Jetzt gehe es darum, dieses auszugestalten, sagte Gregor Jansen, Dezernent in der Städteregion. Bei der Gründungsveranstaltung, zu der Unternehmer und Wohlfahrtsverbände eingeladen waren, erläuterten die Initiatoren, wie das Netzwerk arbeiten und was es erreichen soll.

„Wir wollen eine kinder- und familienfreundliche Infrastruktur in der Städteregion, und wir wollen alle Bürger für das Thema sensibilisieren“, erklärte Birgit Plan vom Jugendamt Alsdorf das Konzept. Öffentlichkeitskampagnen, Kinospots oder Plakataktionen können Instrumente dafür sein.

Wichtiges Stichwort: Zivilcourage. Es soll in Zukunft Schulungen für Bürger geben zur Stärkung von Zivilcourage, angesiedelt beispielsweise in den Familienzentren. „Die Leute wollen helfen, aber sie wissen oft nicht wie“, stellten die Vertreter der Jugendämter fest.

Zwar habe die Gewalt gegen Kinder kriminalstatistisch nicht zugenommen, referierte Paula Honkanen-Schoberth, Bundesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes. Doch 14 Prozent der Eltern würden noch immer gewaltsame Erziehungsmethoden wie Prügel, Einsperren oder Ähnliches anwenden.

Richtiger Weg

Es gebe eine relativ hohe Dunkelziffer von Kindern in Not, meinte Angelika Degen vom Jugendamt der Städteregion. Oliver Krings vom Eschweiler Jugendamt verwies auf offen zutage tretende Kriminalität unter Jugendlichen, etwa Abzockereien an Bushaltestellen oder öffentlichen Plätzen. In vielen Fällen helfe Hinschauen von Erwachsenen oder Eingreifen. Darum will das Netzwerk auch Schulungen für entsprechende Berufsgruppen wie Busfahrer oder Politessen anbieten.

Prävention wird in dem Konzept groß geschrieben. In der Städteregion gebe es schon eine Menge Angebote für angehende und junge Eltern. Einen Beratungsdienst, der in Krankenhäuser frisch gebackene Mütter kontaktiert oder die Zusammenarbeit mit Hebammen, die beraten, wenn ein Säugling viel schreit, nannte Degen als Beispiele. „Sehr früh sind Eltern neugierig, und sie möchten gerne gute Eltern sein“, beschrieb Honkanen-Schoberth ihre Erfahrungen. Man müsse schauen, „was Eltern brauchen“, ohne ihnen das Gefühl zu geben, dass sie kontrolliert oder bestraft würden. „Eltern sollen sich gut aufgenommen fühlen. Es muss als Stärke gelten, Hilfe in Anspruch zu nehmen.“ Die Bürgermeister seien auf dem richtigen Weg, die Unterdreijährigen-Betreuung in Tagesstätten weiter zu fördern, so die Vertreter der Jugendämter.

Zwei Jahre Laufzeit sind für das Netzwerk-Projekt angesetzt, die Kosten belaufen sich auf rund 50 000 Euro. Wobei alle sich einig sind, dass danach die Aktivitäten nicht eingestellt werden können. Die Initiatoren hoffen eine breite Unterstützung aus den Reihen der Bürger und der Unternehmen. Letztere könnten ihr Engagement beispielsweise zur Image-Steigerung nutzen. Sie könnten die Kinder- und Jugendarbeit mit Spenden oder Sachunterstützung fördern, beispielsweise indem sie Räume oder Marketing-Instrumente zur Verfügung stellen. Wer immer sich in das Netzwerk einklinken will, kann sich an das zuständige Jugendamt wenden. Jede Idee sei wertvoll.

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